Perfect Lover

Leseprobe aus Teil 3 der Boston Bad Boys

Kapitel 1 – Tyler

Leichter Regen fällt auf die Windschutzscheibe von Keiths schnittiger Corvette. Ich mag den sportlichen Wagen. Aber werden wir ihn noch fahren, wenn wir erst ein Baby haben?

Mein Gott, was habe ich nur für Gedanken! Ich bin Mitte 20, Keith Anfang 30. Über Kinder haben wir noch nie gesprochen. Beide stehen wir voll in unserem Beruf. Na ja, ich arbeite als Model und Keith ist einfach Keith. Er hat genug Geld geerbt, um sich ein angenehmes Leben erlauben zu können, und beschäftigt sich im Grunde nur damit, reichen Amerikanern das Golfspielen beizubringen, was er sich natürlich gut bezahlen lässt. Er war Profispieler und hat noch nie viel mehr getan, als auf den großen Turnieren mitzumischen. Golf ist sein Leben.

Seit meinem 16. Lebensjahr bewundere ich ihn, aber es sollten noch einige Jahre vergehen, bevor ich diesem Traum von einem Mann persönlich begegnet bin. Und kurz darauf hat es auch schon zwischen uns gefunkt.

Kennengelernt haben wir uns bei einer Charity-Veranstaltung des Golfclubs, bei der er Ehrengast war. Mittlerweile sind wir sieben Jahre zusammen und ich bin immer noch wahnsinnig verliebt, wie am ersten Tag. Keith ist einfach mein Märchenprinz.

Mein Blick gleitet nach draußen auf die dunkle Straße, die vor uns liegt. Wir haben das Wochenende wie so oft in seinem Strandhaus verbracht. Aber dieses Mal war es irgendwie anders. Ich will ja nicht darauf herumreiten, dass wir keinen Sex hatten. Das kommt in der Regel selten vor, wenn wir Zeit miteinander verbringen. Doch in den letzten Wochen hat unser Sexualleben sehr gelitten und gestritten haben wir auch häufiger als zu Beginn unserer Beziehung.

Deshalb habe ich auch versucht, ihn mit einem Strip aus der Reserve zu locken, ihn anzumachen, wie ich es schon oft getan habe. Normalerweise schlafen wir dann spontan miteinander und es ist verdammt gut. Doch dieses Mal war Keith immun gegen meine Annäherungsversuche.

Er war überhaupt das ganze Wochenende verschlossen und distanziert, richtiggehend in sich gekehrt. Seine witzige und sorglose Art, das Leben zu nehmen, wie es kommt, scheint einfach verschwunden zu sein. Vor mir stand ein Mann, in dem eine Veränderung vorgegangen war, die mir fast Angst macht. Wo ist der geistreiche, lebenslustige Lover geblieben? Wo seine Spontaneität, mit der er mich immer wieder überrascht?

Ich kann mich noch genau an das Wochenende im letzten Sommer erinnern, als er mich an der Hand gepackt und mir zugezwinkert hatte, um dann raus an den Strand zu laufen und mich hemmungslos zu lieben. Im Schutz der Dunkelheit haben wir einfach die Hüllen fallen lassen. Ich habe mich verrucht gefühlt und es hat mich unheimlich angemacht, vielleicht sogar von irgendjemandem beobachtet zu werden. Wir waren beide noch von der Party mit unseren Freunden aufgeputscht und haben uns einfach frei und unbeschwert gefühlt.

Aber dieses Mal hatte Keith keine Lust auf solche kleinen Abenteuer. Er war die ganzen zwei Tage verschlossen und in sich gekehrt, wie eine Auster, die ihre Schalen fest geschlossen hält. Als würde er über irgendetwas nachgrübeln, das ihm Kopfzerbrechen bereitet. Ich hatte keine Chance, ihm näherzukommen. Er hat mich praktisch ausgeschlossen.

Warum spricht er nicht mit mir, wie er es sonst immer tut? Wir sind doch Seelenverwandte, haben keine Geheimnisse voreinander. Ich sehe mich noch, wie ich auf ihn zugegangen bin, als er auf dem Sofa saß, meine Arme um seinen Hals gelegt habe und er den Kopf gehoben und mich angeschaut hat. Da war ein seltsamer Ausdruck in seinem Gesicht, als wäre er ein Fremder, zu dem ich keine Verbindung mehr spüre. Nachdem ich ihn auf seine merkwürdige Stimmung angesprochen hatte, stand er auf, hauchte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, lächelte mich an und sagte, dass er einfach Kopfschmerzen hätte, weil er die Nacht zuvor zu viel getrunken hätte.

Gestern habe ich mich mit dieser Erklärung zufriedengegeben und nichts weiter hineininterpretiert, aber als er heute Morgen immer noch in dieser melancholischen Stimmung war, machte ich mir zusehends mehr Gedanken.

Beim Frühstück auf der Terrasse war er in seine Zeitung vertieft. Okay, das ist nichts Ungewöhnliches. Aber auch später, als wir in unserem Lieblingsrestaurant zu Mittag aßen, war er verhältnismäßig still und lenkte das Gespräch auf neutrale Themen. Und seit wir auf dem Weg nach Hause sind, hüllt er sich noch mehr in Schweigen. Noch zehn Meilen und wir sind wieder in Boston. Die Fahrt über haben wir kaum ein Wort gewechselt. Jeder ist in seine Gedanken vertieft. Aber jetzt will ich es wissen.

»Keith?« Ich wende mich ihm zu und drehe das Autoradio leiser.

»Hm?«, brummt er nur leise, seinen Blick immer noch auf die Straße vor uns gerichtet.

»Was ist los? Das ganze Wochenende warst du so ruhig und auf Abstand. Du wolltest nicht einmal Sex mit mir. Hast du vielleicht Bedenken wegen der Hochzeit?«

Er seufzt genervt und trommelt mit dem Daumen auf das Lenkrad.

»Tyler, das mit der Hochzeit, ich meine …«

»Was? Du willst doch jetzt keinen Rückzieher machen, oder?«, frage ich alarmiert. Das muss ein Scherz sein.

»Ich … also, was soll ich noch weiter um den heißen Brei reden. Sandy und ich …«

»Sandy? Was hat Sandy mit unserer Hochzeit zu tun?«, unterbreche ich ihn aufgebracht und ein dunkler Verdacht bauscht sich wie eine Gewitterwolke auf.

»Tyler, wir werden nicht heiraten.«

Diese Worte wirken wie eine Bombe und lösen sofort eine Panikreaktion in mir aus. Das hat er jetzt nicht gesagt! Ich muss träumen, muss mich verhört haben. Es war ein Witz, ganz einfach ein dummer Witz. Ich starre ihn an und merke, dass es kein Witz war. Keith hat Schuldgefühle, das sehe ich sofort an seiner steifen Haltung und seinem zerknirschten Gesichtsausdruck.

»Aber …«, flüstere ich leise, worauf er nur entschuldigend mit den Schultern zuckt.

Wie ein Film laufen die letzten Wochen vor meinem geistigen Auge ab, während ich wie unter Schock aus dem Fenster starre.

Es ist alles geplant, die Einladungen verschickt, mein Brautkleid wurde von einer bekannten Modedesignerin kreiert und hängt bei meinen Eltern im Schrank. Die Location für den Empfang und die anschließende Feier ist gemietet. Wir reden seit Wochen von nichts anderem als dieser Hochzeit, die wir groß aufziehen wollten. Okay, ich rede davon, aber das ist auch völlig normal. Viele Freunde aus der High Society, Mode- und Golfszene wurden eingeladen, und jetzt sagt er mir nebenbei, dass die Hochzeit nicht stattfinden wird? Endlich erwache ich aus meiner Trance, in die mich seine Worte versetzt haben.

»Keith, das ist doch nicht dein Ernst«, sage ich und mein Herz fängt in meiner Brust wild zu schlagen an. »Wenn das ein Scherz sein soll, kann ich nicht darüber lachen.«

»Tyler, über so etwas würde ich keine Scherze machen. Ich meine es vollkommen ernst. Es wird keine Hochzeit geben.«

»Spinnst du? Warum denn?«

»Ich weiß, ich hätte es dir schon längst sagen sollen. Aber …«

»Aber was?«, unterbreche ich ihn scharf.

»Also schön, Sandy und ich … also, zwischen uns ist nicht nur Freundschaft, da ist mehr. Und das schon seit einigen Wochen. Irgendwann musst du es ja erfahren.«

Ich schließe kurz die Augen und spüre diese vernichtende Beklemmung in mir. Die Kälte, die von mir Besitz ergreift, nimmt mir kurz den Atem. Wie in einem Zeitraffer läuft mein Leben vor meinem inneren Auge ab: ich als Kind, wie ich über die Wiese meiner Eltern laufe, als Teenager beim Abschlussball in der Highschool, der Tod meines Hundes und dann meine große Liebe Keith, den ich schon immer angehimmelt habe. Sein Bild zerplatzt wie eine Seifenblase.

Als hätte ich den Knall tatsächlich gehört, drehe ich mich zu ihm um.

»Warum?«, hauche ich mit erstickter Stimme und spüre die Angst des Verlustes in mir.

Er zuckt nur die Achseln, als hätte er selbst keine Erklärung dafür. Dabei kann er mir noch nicht einmal in die Augen schauen.

»Verdammte Scheiße! Rede mit mir!«, brülle ich ihn an, greife nach seinem Oberarm und zerre kräftig daran, sodass er das Lenkrad verreißt.

Warum ich das tue und uns damit in Gefahr bringe, weiß ich auch nicht. Aber ich kann die Panik nicht mehr unterdrücken, die unaufhaltsam von mir Besitz ergreift und an die Oberfläche drängt. Keith lenkt heftig wieder zurück, als er viel zu weit auf die Gegenfahrbahn gerät und das Hupen und das Aufleuchten der Scheinwerfer eines entgegenkommenden Fahrzeuges mich wieder klar denken lassen.

»Tyler, hör auf damit, willst du uns umbringen?«, schreit er aufgebracht.

»Was erwartest du denn jetzt von mir?«, rufe ich gequält.

Wieder werden wir von einem entgegenkommenden Fahrzeug geblendet, dann wird es dunkel um uns herum. Das einzige Geräusch, das neben der Stimme des Moderators im Radio die Stille durchbricht, ist der Scheibenwischer, der stetig von links nach rechts schwenkt und den stummen Nieselregen von der Windschutzscheibe verdrängt. Wie gebannt folge ich der Bewegung. Schließlich bricht Keith das bedrückende Schweigen zwischen uns. Er rutscht auf seinem Sitz wieder in eine bequeme Position und entspannt sich.

»Tyler, es tut mir leid. Was soll ich sagen?«

»Es tut dir leid? Ist das alles?«, schreie ich. Wie aus einem bösen Traum erwacht, spüre ich Wut und Verzweiflung in mir aufsteigen.

»Was willst du jetzt hören?«

»Auf jeden Fall nicht diesen Scheiß. Nach sieben gottverdammten Jahren habe ich etwas mehr verdient, denkst du nicht?«

Ich spüre, wie mir alles entgleitet, das mir im Leben etwas bedeutet. Wie er mir entgleitet und sich eine große Kluft zwischen uns auftut. Mein Leben, meine Liebe zu Keith, meine Zukunft, die ich mir in den schönsten Farben ausgemalt hatte, ist vorbei. Übrig geblieben sind nur noch ein Scherbenhaufen und meine geplatzten Mädchenträume. Ich wollte so gerne ein Kind von ihm. Habe mich mit ihm auf der Veranda des Strandhauses gesehen, während unsere Kinder im Sand spielen.

Keith war mein Traum! Keith war alles, was ich jemals wollte. Er war der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe. Alles dahin! Wie eine Seifenblase zerplatzt! Diese paar Worte haben genügt, um mich in ein tiefes Loch zu stürzen, mir den Atem zu nehmen und meine Seele in eine Geisterstadt zu verwandeln. Und als wollte das Schicksal meinen Gemütszustand noch untermauern, singt Adam Lambert im Radio seinen Song »Ghosttown«. Ich liebe dieses Lied, habe es jedes Mal mitgesungen, wenn es im Radio lief, und es auf alle meine Geräte geladen, um es immer und überall hören zu können. Aber jetzt wird es mir zur Qual. Kopflos schalte ich das Radio aus, was es auch nicht besser macht. Im Gegenteil, ich kann die Stille um mich herum nicht ertragen. Sein Schweigen, das mir sagt, dass ich ihn verloren habe, und meine bohrenden Gedanken, in denen ich Sandys falsches Lächeln vor mir sehe.

»Fickst du sie?«, frage ich erstickt.

Endlich habe ich ihn aus der Reserve gelockt. Er dreht kurz den Kopf zu mir und schaut mich an, als wäre ich verrückt geworden.

»Tyler, darum geht es doch nicht.«

»Ach nein? Worum geht es dann? Besorgt sie es dir besser als ich?«

»Das hat damit überhaupt nichts zu tun«, fährt er mich an.

»Also doch, dachte ich’s mir doch.«

»Es ist einfach passiert. Ich weiß auch nicht.«

»Du machst es dir ziemlich leicht«, halte ich ihm vor.

»Glaubst du, ja?«, sagt er wütend. »Seit Tagen quäle ich mich damit herum, wie ich es dir so schonend wie möglich sagen kann.«

Ich lache erstickt auf. Tolle Sache. Am Ende soll ich noch schuld sein und er der zu Bemitleidende. Was habe ich nur falsch gemacht?

»Eine Sache wird nicht besser, wenn man sie verschweigt. Und ich dachte, ich könnte dir vertrauen«, sage ich zutiefst getroffen.

»Ich habe dich nie belogen oder betrogen.«

»Aber jetzt hast du es getan.«

»Glaubst du, ich fühle mich gut damit?«

»Warum hast du es dann getan? War ich dir nicht mehr genug?«

»Das mit Sandy, das war einfach …« Ihm fehlen die Worte.

»Liebst du sie?«, stelle ich die Frage, die mir unglaublich schwer über die Lippen kommt.

»Ich weiß es nicht. Vielleicht«, stammelt er.

»Was ist mit uns?« Ein letzter verzweifelter Versuch von mir, ihn wieder zurückzuholen. Dabei weiß ich genau, dass es vorbei ist.

»Das mit uns … es ist zur Gewohnheit geworden. Es tut mir leid«, sagt er leise und ich schließe die Augen.

Ein kläglicher Versuch, das Unvermeidliche aufzuhalten, meinen Schmerz einfach zu ignorieren. Ich bin zur Gewohnheit geworden!

»Bedeutet dir die Zeit mit uns so wenig? Was habe ich falsch gemacht? Was hat sie, das ich nicht habe?«

Keith schüttelt nur leicht den Kopf. Ich spüre, dass ihn diese ganze Sache belastet. Dennoch hat er mich bereits aus seinem Leben gestrichen.

»Es liegt nicht nur an dir, Tyler. Ich habe mich verändert, du hast dich verändert. Aber wir haben uns nicht in die gleiche Richtung bewegt. Vielleicht war es diese verdammte Hochzeit, ich weiß es nicht«, sagt er genervt.

»Willst du mir die Schuld in die Schuhe schieben, weil ich dich mit der Hochzeit gedrängt habe?«, frage ich ungläubig. Das ist wieder mal typisch. Jetzt, wo es raus ist, schert er sich einen Dreck darum, wie ich mich fühle.

»Im Grunde war es doch deine Idee. Es lief alles perfekt zwischen uns. Warum also noch heiraten?«

»Du hast überhaupt nichts kapiert«, sage ich kopfschüttelnd.

»Mag sein, dass ich in dieser Angelegenheit nicht aufrichtig dir gegenüber war. Das war ein Fehler. Ich hätte es dir gleich sagen sollen. Dabei musst du doch gespürt haben, dass ich im Grunde gar nicht heiraten wollte. Aber du warst viel zu sehr in deinem Wolkenkuckucksheim gefangen, um dir Gedanken zu machen, was ich will. Hast deinen Mädchenträumen nachgehangen und dir die Welt in rosaroten Farben ausgemalt. Aber das ist sie nicht.«

»Du bist so ein Idiot, Keith. Ein egoistisches Arschloch. Und von dir wollte ich mal Kinder haben!«, fauche ich ihn an.

»Du bist doch selbst noch ein Kind.«

»Das ist doch wohl nicht meine Schuld! Du wolltest doch immer alles selbst machen. Über alles wolltest du die Kontrolle behalten. Immer hast du mir alles abgenommen, weil du es so wolltest.«

»Das war dir doch sehr angenehm.«

»Mag sein, aber jetzt sehe ich das anders.« In diesem Moment wird mir klar, dass ich noch nie wirklich auf eigenen Beinen gestanden habe. Immer war jemand da, der mir den Weg geebnet und mir Entscheidungen abgenommen hat. Erst war es meine Mom und dann Keith. Es wird Zeit, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Keith schweigt, ihm sind wohl die Argumente ausgegangen. Sandy schleicht sich wieder in meine Gedanken. Sie ist ganz anders als ich, stark und selbstbewusst. War das der Kick, der bei Keith den Ausschlag gegeben hat? Ist sie mehr Frau als ich?

»Seit wann? Seit wann geht das schon so?«, will ich wissen.

Warum tue ich mir das an? Warum frage ich ihn? Es kann mir doch scheißegal sein. Er hat es zugegeben und damit den Bruch zwischen uns verursacht. Er wird mich verlassen.