Hat Ramsey schon zurückgerufen?«, rufe ich aus meinem Büro meiner Sekretärin zu, während ich mir die Krawatte um den Hals lege. Ich bin spät und mein Terminkalender lässt mir kaum Luft zum Atmen.
»Bis jetzt noch nicht. Soll ich ihn noch einmal anrufen?«
»Um Himmels willen, natürlich nicht. Ich habe es weiß Gott nicht nötig ihm hinterherzulaufen«, antworte ich eine Spur zu gereizt und durchquere überstürzt das Vorzimmer, während ich mich mit meiner Krawatte abmühe, weil ich viel zu hektisch den Knoten binden will. Was kann Erin oder die Krawatte dafür, dass ich schlechtgelaunt bin?
»Wann wollte Ray zurück sein?«, frage ich stattdessen jetzt etwas gefasster.
»Ihr Bruder hat den Termin zum Mittagessen bestätigt. Warten Sie, ich mache das,« bietet Erin an, steht hinter ihrem Schreibtisch auf und bindet mir geschickt die Krawatte. Was würde ich an solchen Tagen wie heute nur ohne sie tun?
»Na wenigstens einer, der heute zuverlässig ist. Wenn er reinkommt, sagen Sie ihm … Nein, lassen Sie nur, ich sage es ihm beim Mittagessen selbst. Das wird ihm sowieso den Appetit verderben. Danke Erin«, bedanke ich mich, schnappe mir meine Jacke und laufe zur Tür. Als ich die Hand schon auf der Klinke liegen habe, drehe ich mich noch einmal zu Erin um.
»Tut mir leid Erin, ich wollte Ihnen gegenüber nicht unhöflich sein.«
Sie lächelt, wie sie es immer tut. Erin ist die perfekte und loyale Sekretärin. Ich sollte sie wirklich nicht so anfahren.
»Schon gut, Mr. Mason. Ich weiß doch, dass Sie unter großem Druck stehen.«
»Das rechtfertigt allerdings kein unverschämtes Benehmen«, antworte ich mit einem Lächeln auf den Lippen und verlasse die Kanzlei. Auf dem Flur treffe ich meinen Bruder, der gerade aus einem der Aufzüge steigt.
»Guten Morgen«, begrüßt er mich gutgelaunt.
»Morgen«, knurre ich nur und beeile mich, den Lift noch zu erreichen, der gerade die Türen schließt. »Verdammt!«
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
»Ich habe Turner rausgeschmissen. Wenn du öfters im Büro wärst, müsstest du nicht fragen«, antworte ich bissig.
»Russell Turner? Warum? Er hat doch gute Arbeit geleistet in der kurzen Zeit, die er bei uns ist. Ich finde, du könntestsolche Entscheidung schon vorher mit mir abstimmen, bevor du diese Schnellschüsse startest. Schließlich bin ich genau wie du Teilhaber dieser Kanzlei.«
»Hmhm, wenn du dich etwas genauer mit ihm beschäftigt hättest, wüsstest du, dass er überhaupt keine Zulassung mehrals Anwalt hatte. Du hast ihn eingestellt, wenn ich dich daran erinnert darf.«
»Die Personalvermittlung hat ihn uns empfohlen. Ich hatte keine Veranlassung, seine Approbation anzuzweifeln. Ist dir noch nie ein Fehler unterlaufen, Bruderherz?«, antwortet Ray.
»Das ist der dritte Anwalt innerhalb eines Jahres, den wir ent- lassen mussten. Ich erwarte einfach nur kompetente Mitarbeiter. Ist das zu viel verlangt? Ich sollte den Headhunter wechseln. Die Firma Ramsey scheint auch nicht mehr das zu sein, was sie ein- mal war. Wir zahlen genug Geld für die Vermittlung, da kann ich ja wohl einen gewissen Standard verlangen, oder?«, knurre ich weiter.
und hier im Verlagsshop vorbestellbar